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Grundlagen für Sanitäterinnen und Sanitäter im Rettungseinsatz

Eine strukturierte und sichere Patientenversorgung beginnt schon beim Eintreffen an der Einsatzstelle. Um in hochdynamischen, oft unübersichtlichen Lagen gezielt, prioritätenorientiert und effektiv zu handeln, nutzen Sanitäter bewährte Handlungsstrukturen. Sie helfen, den Überblick zu bewahren, lebensbedrohliche Zustände rasch zu erkennen und konsequent abzuarbeiten. Dieses Kapitel bietet einen Überblick über zentrale Schemata und Merkhilfen, die in der präklinischen Notfallmedizin zum festen Handwerkszeug gehören.

Normwerte der Vitalparameter

Im Rahmen der präklinischen Patientenversorgung ermöglichen die Vitalparameter eine schnelle und strukturierte Einschätzung des vitalen Status und helfen bei der Einordnung des Schweregrads von Erkrankungen oder Verletzungen.

Die folgende Übersicht gibt einen praxisorientierten Überblick über die physiologischen Normwerte bei Erwachsenen.

Atemfrequenz (Respirationsfrequenz)

  • Normwert: 12 bis 20 Atemzüge pro Minute

  • Tachypnoe: > 20/min

  • Bradypnoe: < 12/min

  • Apnoe: keine Atmung

 

Blutdruck (arterieller Blutdruck)

  • Normwert systolisch: 100 bis 129 mmHg

  • Normwert diastolisch: 60 bis 84 mmHg

  • Hypertonie (ab Stadium I): ≥ 140 / ≥ 90 mmHg

  • Hypotonie: systolisch < 100 mmHg

 

Blutzucker (kapillär, mg/dl)

  • Nüchtern: 70 bis 99 mg/dl

  • Postprandial (nach dem Essen): < 140 mg/dl

  • Hypoglykämie: < 60 mg/dl (teilweise bereits Symptome unter 70 mg/dl)

  • Hyperglykämie: > 140 mg/dl postprandial, > 180 mg/dl pathologisch relevant im Notfallkontext

 

Kapillare Reperfusionszeit (CRT)

  • Normwert: ≤ 2 Sekunden

  • verlängert: > 2 Sekunden (Hinweis auf Kreislaufinsuffizienz oder Schock)

 

Körpertemperatur

  • Normothermie: 36,5 bis 37,5 Grad Celsius

  • Subfebril: 37,6 bis 38,0 Grad Celsius

  • Fieber: > 38,0 Grad Celsius

  • Hypothermie: < 35,0 Grad Celsius

 

Pulsoximetrie (SpO₂)

  • Normwert: ≥ 95 Prozent

  • mild erniedrigt: 90 bis 94 Prozent

  • schwer erniedrigt / respiratorische Insuffizienz: < 90 Prozent

 

Pulsfrequenz (Herzfrequenz)

  • Normwert: 60 bis 100 Schläge pro Minute (bpm)

  • Tachykardie: > 100 bpm

  • Bradykardie: < 60 bpm

Pupillen (Pupillenkontrolle)

  • Normwert: Isokor, rund, mittelweit (circa 2 bis 5 mm), beidseits prompt und gleichmäßig auf Licht reagierend

 

Abweichungen:

  • Miosis (enge Pupillen)

  • Mydriasis (weite Pupillen)

  • Anisokorie (mehr als 1 mm Differenz) 

fehlende oder verzögerte Lichtreaktion (neurologisch oder pharmakologisch bedingt)

 

Hinweis: Diese Normwerte gelten für gesunde Erwachsene in Ruhe. Bei Kindern, älteren Menschen oder bei spezifischen physiologischen oder pathologischen Zuständen können abweichende Werte als normal angesehen werden. Im Einsatz ist stets der klinische Gesamteindruck zu berücksichtigen.

Pupillen
Pulsoximetrie
Pulsfrequenz
Körpertemperatur
Blutzucker
Kapillare Reperfusionszeit
Blutdruck
Atemfrequenzen

 GRUNDLEGENDES 
 VORGEHEN ! 

SSSS-Schema

Das SSSS-Schema leitet die erste Einschätzung der Einsatzstelle und schafft die Grundlage für ein sicheres und strukturiertes Vorgehen. Es besteht aus den folgenden vier Schritten:

Scene: Zunächst erfolgt die umfassende Beurteilung der Einsatzstelle. Hierbei wird erfasst, in welchem Zustand sich die Umgebung und die betroffenen Personen befinden. Mögliche Einflussfaktoren wie Witterung, Verkehrsaufkommen oder bauliche Gegebenheiten werden berücksichtigt. Gleichzeitig erfolgt die Ersteinschätzung des Patienten.

Safety: Fremd- und Eigenschutz stehen an erster Stelle. Gefahrenquellen wie Feuer, Strom, chemische Stoffe, abstürzende Gegenstände oder ungesicherte Verkehrslagen sind zu identifizieren und, wenn möglich, zu beseitigen. Der Eigenschutz umfasst auch das Tragen geeigneter Schutzausrüstung.

Situation: Die genaue Analyse des Verletzungsmechanismus und der Kinematik liefert wichtige Hinweise auf mögliche Verletzungsmuster. Hierbei wird untersucht, welche Kräfte auf den Körper eingewirkt haben und welche Verletzungen daraus resultieren könnten.

Support: Je nach Lageeinschätzung ist frühzeitig die Nachforderung weiterer Einsatzkräfte erforderlich. Dies kann die Feuerwehr, den Notarzt, Spezialkräfte oder zusätzliche Rettungsmittel betreffen.

Merke: Bereits beim Eintreffen an der Einsatzstelle sollten drei Fragen beantwortet werden:
Was ist passiert?
Wer ist betroffen?
Welche Gefahren bestehen?

ABCDE-Schema

Das ABCDE-Schema strukturiert die primäre Patientenuntersuchung und ermöglicht das systematische Erkennen und Behandeln von vital bedrohlichen Zuständen in der richtigen Reihenfolge. Das Schema wird kontinuierlich angewandt, bis der Patient stabilisiert ist.

Airway: Zunächst wird geprüft, ob die Atemwege frei sind. Bei einer Verlegung durch Fremdkörper, Erbrochenes, Blut oder anatomische Ursachen müssen die Atemwege freigemacht und offengehalten werden.

Breathing: Die Qualität der Atmung wird kontrolliert. Es wird überprüft, ob die Atmung suffizient ist oder Zeichen einer Ateminsuffizienz bestehen. Notfalls werden Atemhilfen eingesetzt.

Circulation: Es erfolgt die Prüfung von Puls, Hautdurchblutung und Blutdruck. Gleichzeitig wird aktiv nach lebensbedrohlichen Blutungen gesucht, die sofort behandelt werden müssen.

Disability: Eine rasche neurologische Einschätzung (AVPU-Schema oder Glasgow Coma Scale) erfolgt, um das Bewusstsein und mögliche fokal neurologische Ausfälle zu erkennen.

Exposure: Der Patient wird (nach Möglichkeit und wenn dringend erforderlich) vollständig entkleidet (im RTW oder KTW), um alle Verletzungen sichtbar zu machen. Gleichzeitig ist ein wirksamer Schutz vor Auskühlung sicherzustellen.

Hinweis: Das ABCDE-Schema strukturiert das gesamte Vorgehen und stellt sicher, dass keine vitalen Bedrohungen übersehen werden.

BASICS

Die BASICS sind grundlegende, lebensrettende Sofortmaßnahmen, die in jeder Einsatzsituation angewendet werden.

Beruhigen: Ein ruhiger, professioneller Umgang und verbale Kommunikation helfen, Angst zu reduzieren und die Mitarbeit des Patienten zu sichern.

Atmung optimieren: Maßnahmen zur Verbesserung der Atmung wie Lagerungsmanöver, Sauerstoffgabe oder Beatmungsunterstützung werden je nach Bedarf durchgeführt.

Kreislauf stabilisieren: Volumentherapie, Lagerung und ggf. weitere kreislaufunterstützende Maßnahmen stabilisieren den Kreislauf.

Immobilisation und Lagerung: Bei Verletzungen erfolgt die adäquate Ruhigstellung und Lagerung des Patienten.

Schutz vor äußeren Einflüssen: Kälte, Hitze, Nässe oder mechanische Einwirkungen werden so weit wie möglich abgewehrt.

Hinweis: Die BASICS bilden die Grundlage für eine stabile Patientenversorgung und verhindern das Fortschreiten kritischer Zustände.

 BEWUSSTSEIN 
 PRÜFEN ! 

WASB-Schema

Das WASB-Schema ermöglicht eine schnelle und strukturierte Beurteilung des Bewusstseinszustands.

Wach und ansprechbar: Der Patient ist wach, orientiert und reagiert adäquat.

Ansprechbar: Der Patient reagiert auf direkte Ansprache, zeigt aber Einschränkungen.

Schmerzreiz: Reaktionen erfolgen nur auf Schmerzreize.

Bewusstlos: Es bestehen keine Reaktionen auf äußere Reize.

Hinweis: Das WASB-Schema dient der initialen Einschätzung und fortlaufenden Dokumentation der Bewusstseinslage.

FAST-Schema

Das FAST-Schema wird zur raschen Erkennung eines Schlaganfalls eingesetzt.

Face: Prüfung auf Gesichtslähmung durch Bitten des Patienten, zu lächeln oder die Zähne zu zeigen.

Arms: Armhalteversuch mit geschlossenen Augen, um eine einseitige Schwäche aufzudecken.

Speech: Überprüfung der Sprache auf Störungen, Verwaschungen oder Wortfindungsprobleme.

Time is brain: Jede Minute zählt. Bei Verdacht auf Schlaganfall muss schnellstmöglich ein Transport in eine geeignete Klinik erfolgen.

Hinweis: Das FAST-Schema hilft, Schlaganfälle frühzeitig zu erkennen und das Behandlungsteam rasch zu alarmieren.

AVPU-Schema

Das AVPU-Schema ist eine pragmatische und rasch anwendbare Methode zur Einschätzung des Bewusstseinszustands im Rahmen der initialen Patientenuntersuchung. Es wird insbesondere in der präklinischen Notfallmedizin und während des fortlaufenden Monitorings eingesetzt, da es eine schnelle Orientierung bietet und sich gut für die laufende Verlaufskontrolle eignet.

Die Beurteilung erfolgt anhand von vier Stufen:

A – Alert: Der Patient ist wach, spontan ansprechbar und orientiert. Er reagiert adäquat auf seine Umgebung.

V – Verbal Response: Der Patient reagiert auf verbale Ansprache. Er öffnet die Augen oder gibt eine Reaktion, zeigt jedoch keine spontane Wachheit.

P – Pain Response: Der Patient zeigt Reaktionen nur auf Schmerzreize (z. B. Muskelzucken, Abwehrbewegung, Grimassieren).

U – Unresponsive: Der Patient zeigt keinerlei Reaktion auf verbale oder schmerzhafte Reize und gilt als bewusstlos.

Hinweis: Das AVPU-Schema ermöglicht ein schnelles und einfaches Screening und eignet sich für die serielle Überwachung von Patienten, zum Beispiel bei laufender Reanimation oder bei bewusstseinsverändernden Prozessen.

Glasgow Coma Scale (GCS)

Die Glasgow Coma Scale (GCS) stellt ein international etabliertes Instrument zur quantitativen Beurteilung der Bewusstseinslage und neurologischen Funktion dar. Sie wurde 1974 an der University of Glasgow entwickelt und ist insbesondere bei Schädel-Hirn-Trauma und sonstigen neurotraumatologischen Zuständen unverzichtbar.

Die Skala beruht auf der Bewertung dreier Reaktionskategorien:

1. Augenöffnung (E)
Spontan (4 Punkte)
Auf Ansprache (3 Punkte)
Auf Schmerzreiz (2 Punkte)
Keine Augenöffnung (1 Punkt)

2. Verbale Reaktion (V)
Orientiert und konversationsfähig (5 Punkte)
Desorientierte Sprache (4 Punkte)
Unzusammenhängende Worte (3 Punkte)
Unverständliche Laute (2 Punkte)
Keine verbale Reaktion (1 Punkt)

3. Motorische Reaktion (M)
Befolgt Aufforderungen (6 Punkte)
Gezielte Abwehrbewegung auf Schmerzreiz (5 Punkte)
Ungezielte Abwehrbewegung (4 Punkte)
Beugesynergismen (3 Punkte)
Strecksynergismen (2 Punkte)
Keine motorische Reaktion (1 Punkt)

Gesamtbewertung:
Die Werte der drei Kategorien werden addiert.
Der maximal erreichbare Wert beträgt 15 Punkte, der minimal mögliche Wert 3 Punkte.

Interpretation der Punktzahl:
13–15 Punkte: leichtes Schädel-Hirn-Trauma bzw. nur geringe Bewusstseinsbeeinträchtigung
9–12 Punkte: mittelschweres Schädel-Hirn-Trauma bzw. deutliche Bewusstseinsstörung
3–8 Punkte: schweres Schädel-Hirn-Trauma bzw. Koma

Hinweis: Bei einer Gesamtpunktzahl von 8 oder weniger spricht man definitionsgemäß von einem komatösen Zustand, bei dem meist eine sichere Atemwegssicherung erforderlich wird.

Anwendung in der Praxis:
Die GCS sollte möglichst frühzeitig erhoben und bei Bedarf serial dokumentiert werden, um den Verlauf von Bewusstseinsstörungen und möglichen Verschlechterungen rechtzeitig zu erkennen. Bei intubierten Patienten entfällt die verbale Bewertung; dies wird üblicherweise im Protokoll vermerkt (z. B. V=1t).

 SCHMERZ 
 PRÜFEN ! 

OPQRST

Das OPQRST-Schema dient der differenzierten Erfassung von Schmerzen.

Onset: Ermittlung des Schmerzbeginns.

Palliation: Feststellung, welche Maßnahmen den Schmerz gelindert haben.

Provocation: Ermittlung von auslösenden Faktoren.

Quality: Charakterisierung des Schmerzes.

Radiation: Feststellung einer Schmerz-Ausstrahlung.

Severity: Einschätzung der Schmerzintensität auf der numerischen Rating-Skala von 1 bis 10.

Time: Verlauf und Veränderung des Schmerzes im Zeitverlauf.

Hinweis: Mit OPQRST lassen sich Schmerzen umfassend und nachvollziehbar dokumentieren.

 ERWEITERTE 
UNTERSUCHUNG 

IPAP-Schema

Das IPAP-Schema strukturiert die klinische Untersuchung.

Inspektion: Sichtprüfung auf Verletzungen, Blutungen oder Hautveränderungen.

Palpation: Abtasten von Strukturen zur Erkennung von Frakturen, Druckschmerzen oder Weichteilveränderungen.

Auskultation: Abhören von Atem-, Herz- und Darmgeräuschen.

Perkussion: Abklopfen zur Beurteilung von Resonanzverhältnissen.

Hinweis: IPAP wird systematisch von oben nach unten und von vorne nach hinten durchgeführt.

SAMPLER-S-Anamnese

Die SAMPLER-S-Anamnese erfasst wichtige Informationen zur Vorgeschichte.

Symptome: Aktuelle Beschwerden.

Allergien: Bekannte Unverträglichkeiten.

Medikationen: Regelmäßig eingenommene oder aktuell verabreichte Medikamente.

Präteranamnese: Relevante Vorerkrankungen.

Letzte Mahlzeit: Zeitpunkt und Art der letzten Nahrungsaufnahme.

Ereignis: Auslösendes Ereignis.

Risikofaktoren: Bestehende Risikokonstellationen.

Schwangerschaft: Ggf. Abklärung bei Patientinnen im gebärfähigen Alter.

Hinweis: Die strukturierte Anamnese sichert wertvolle Informationen für Diagnostik und Therapie.

 EXTREMITÄTEN 
 VERLETZUNG 

PECH-Regel

Die PECH-Regel dient dem Erstmanagement von Weichteilverletzungen.

Pause: Ruhigstellung.

Eis: Lokale Kühlung.

Compressionsverband: Anlage eines Kompressionsverbandes.

Hochlagerung: Lagerung der betroffenen Extremität.

Hinweis: Frühzeitige Anwendung der PECH-Regel reduziert Schwellung und fördert die Heilung.

DMS-Kontrolle

Die DMS-Kontrolle dient der Überprüfung der neurovaskulären Integrität bei Extremitätenverletzungen.

Durchblutung: Beurteilung der peripheren Durchblutung.

Motorik: Prüfung der Beweglichkeit.

Sensibilität: Test der Sensibilität im betroffenen Areal.

Hinweis: Die DMS-Kontrolle ist prä- und postinterventionell unerlässlich.

Feuerwehr / Rettungsdienst 112

Polizei 110

Frauennotruf 116 016

Sicherer Heimweg Telefon 030 12074182

Telefonseelsorge 0800 - 1110111

Giftnotruf NRW 0228-19240

Apotheken Notdienst 0800 00 22 8 33

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