Machtmissbrauch
- Nic
- 1. Nov. 2023
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 26. Mai

Macht trägt Verantwortung. Sie soll schützen, ordnen und Gerechtigkeit ermöglichen. Doch wenn sie missbraucht wird, entfaltet sie eine zerstörerische Kraft. Menschen, die institutionellem Machtmissbrauch ausgesetzt sind, verlieren nicht nur das Vertrauen in Systeme, sondern häufig auch den inneren Halt. Diese Erfahrungen hinterlassen seelische Spuren, die tief reichen und oft lange nachwirken.
Wissenschaftliche Studien belegen, dass Betroffene ein deutlich erhöhtes Risiko für psychische Erkrankungen haben. Die Wahrscheinlichkeit, eine posttraumatische Belastungsstörung zu entwickeln, liegt nach systematischem Machtmissbrauch bei bis zu dreißig Prozent. Zu den häufigsten Symptomen gehören anhaltende Angst, Schlafstörungen, innere Unruhe, emotionale Taubheit und wiederkehrende Erinnerungen an belastende Situationen. Auch depressive Episoden treten gehäuft auf. Das Risiko für Suizidgedanken oder suizidales Verhalten steigt spürbar an, insbesondere wenn sich Gefühle von Ausgrenzung, Entwürdigung und Hilflosigkeit über längere Zeit aufbauen.
Die seelischen Erschütterungen entstehen nicht nur durch einzelne Ereignisse, sondern durch ein wiederholtes Erleben von Ohnmacht. Wer erfährt, dass Beschwerden nicht gehört werden, dass Schutz fehlt und niemand Verantwortung übernimmt, verliert oft das Vertrauen in sich selbst und in zwischenmenschliche Bindungen. Dieses Erleben kann sich in psychosomatischen Beschwerden niederschlagen und gleichzeitig das emotionale Erleben dämpfen oder blockieren. Viele Betroffene berichten von Erschöpfung, chronischen Schmerzen oder einem Gefühl innerer Leere.
Der Zugang zu Heilung beginnt mit Anerkennung. Therapeutische Verfahren, die auf Sicherheit, Beziehung und Stabilisierung ausgerichtet sind, können helfen, das Erlebte zu verarbeiten und neue Perspektiven zu öffnen. Dabei sind traumasensible Zugänge besonders hilfreich, da sie dem Menschen nicht nur als Patient begegnen, sondern als jemand, der mit Würde gesehen und gehört werden will. Der therapeutische Raum wird so zu einem Ort, an dem sich Selbstwirksamkeit und Vertrauen neu entfalten können.
Machtmissbrauch ist kein persönliches Versagen, sondern ein strukturelles Problem. Er betrifft nicht nur Einzelne, sondern das Klima in einer Gesellschaft. Umso wichtiger ist es, hinzuschauen, zu benennen und Verantwortung zu übernehmen. Es braucht klare Verfahren, unabhängige Beschwerdestellen und eine Kultur des Zuhörens. Nur so kann verhindert werden, dass institutionelle Strukturen selbst zu Auslösern seelischer Erkrankung werden.
Wer betroffen ist, hat das Recht auf Schutz, Begleitung und Würde. Und wir alle haben die Möglichkeit, mit unserer Haltung zu einer Gesellschaft beizutragen, in der Macht nicht verletzt, sondern schützt. Eine Gesellschaft, in der Heilung möglich wird, weil Menschen nicht allein gelassen werden.